Agenturpitch: Der Auswahlprozess für Agenturen
Wenn Sie mehrere relevante Agenturen gefunden haben, mit denen eine Zusammenarbeit möglich ist, müssen Sie sich für einen Dienstleister entscheiden. In einem professionellen Agenturpitch finden Sie heraus, welche Agentur für Ihre Bedürfnisse und Anforderungen am besten geeignet ist. In diesem Artikel geht es um einen Agenturpitch für Webagenturen. Die Abläufe sind hier aber nicht anders als bei jeder anderen Agentur. Nutzen Sie diese Infos auch für den Pitch bei SEO-Agenturen, Social-Media-Agenturen, Werbeagenturen & Co.
Damit Sie im Agenturpitch die passende Webagentur für Ihr Content-Management-System (CMS), Online-Shop oder Online-Community herausfiltern können, müssen Sie diesen Agenturpitch gut vorbereiten. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie einen Agenturpitch für die Auswahl einer Webagentur zur individuellen Webentwicklung von Content-Management-Systemen (CMS), Online-Shops oder Online-Community durchführen.
Ein Fachartikel von Markus Mattscheck
Wann ist ein Agenturpitch sinnvoll?
Ob Sie einen Agenturpitch durchführen, ist Ihnen überlassen. Manchmal reicht auch ein einfaches Telefonat oder eine E-Mail. Diese Faktoren können Ihre Entscheidung für oder gegen einen Agenturpitch beeinflussen:
- Strategische Bedeutung des Webprojektes für Ihr Unternehmen
- Budget und Umfang der Webentwicklung
- Anzahl an relevanten Agenturen für individuelle Webentwicklung
- Möglichkeiten zur technischen Umsetzung
Aber auch die Anzahl an Mitentscheider in Ihrem Unternehmen kann ein Kriterium sein. Denn wenn Ihre Meinung und Entscheidung von einem Vorgesetzten in Frage gestellt werden kann, dann ist es aus meiner Erfahrung sehr wichtig, einen professionellen Agenturpitch durchzuführen und Agenturen auf Basis festgelegter Kriterien zu bewerten. Ich habe schon viele Auswahlprozesse durchgeführt, bei denen ich nur über objektive Bewertungen die Entscheidung für eine Agentur treffen konnte, obwohl es bei Vorgesetzten auch andere Meinungen gab. Und als Projektleiter sind Sie für das Projekt verantwortlich und müssen daher auch bei der Auswahl der Agentur die Entscheidung treffen.
Vorbereitung zum Agenturpitch mit Internetagenturen
In einer Auswahl- und Bewertungsliste notieren Sie sich alle Eckdaten zu den ausgewählten Webagenturen und deren Ansprechpartner. Hier legen Sie auch die Bewertungskriterien fest. Eine Vorlage finden Sie in der Tabelle "Bewertung Angebot-Präsentation" dieser Excel-Muster-Vorlage.
Im nächsten Schritt sprechen Sie die Webagenturen an, die Sie ausgewählt haben. Hier empfiehlt es sich nicht weniger als drei und nicht mehr als 5 Internetagenturen für den Agenturpitch auszuwählen. In einem ersten Telefonat schildern Sie Ihr Webprojekt und finden heraus, ob die Internetagentur Interesse an der Umsetzung Ihres Webprojektes hat und ob diese sich dafür als geeignet einstuft. Spielen Sie mit offenen Karten und sagen Sie, dass es sich bei der Auswahl um einen Agenturpitch handelt. Manche Internetagenturen verlangen schon für die Teilnahme am Agenturpitch Geld. Warum? Weil die Webagentur Ihnen auf Basis Ihres Lastenheftes ein fertiges Konzept für die Umsetzung Ihres Webprojektes erstellt. Und egal ob Sie die Webagentur auswählen oder nicht, die Arbeit ist dort angefallen.
Je nachdem wie groß das Projekt ist und wie viele Agenturen am Agenturpitch beteiligt sind, können Sie hier verhandeln und selber entscheiden, ob Sie Agenturen in den Pitch aufnehmen, die hierfür ihre Aufwände honoriert haben wollen.
Hinweis: Kosten, die Ihnen die Agentur für den Pitch in Rechnung stellt, mit der Sie später zusammenarbeiten wollen, können Sie verrechnen. Sprechen Sie das aber im Vorwege ab, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Fragen Sie einfach, ob die Kosten für den Pitch bei Auftragserteilung verrechnet werden.
Persönliches Kennenlernen und Briefing der Webagentur
Es empfiehlt sich bei einem Agenturpitch die beteiligten Webagenturen und Personen persönlich kennenzulernen. Vereinbaren Sie Termine mit den Ansprechpartnern, die Sie im Laufe der Umsetzung betreuen werden. Vereinbaren Sie den Termin vor Ort bei der Internetagentur. So können Sie sich ein Bild über die Internetagentur machen. Ist es eine „kleine Klitsche“ oder ein professionell wirkender Dienstleister?
Senden Sie Ihr Lastenheft und einige Informationen zu Ihrem Unternehmen vor dem Termin an den Dienstleister. So kann sich die Agentur optimal auf den Kennlerntermin vorbereiten.
Das sollten Sie nach dem Kennlerntermin wissen:
- Historie zur Agentur
- Kunden der Webagentur
- Ausgewählte Projekte, die Ähnlichkeiten zu Ihrem Webprojekt haben
- Wie werden Webprojekte umgesetzt, gibt es einen strukturierten Ablauf?
- Projektmanagement
- Ticketsystem
- ...
- Ihre Ansprechpartner
- Geschäftsführer oder Teamleiter
- Kundenberater
- Entwickler
- ...
- Wie werden Ausfallzeiten bei Urlaub oder Krankheiten kompensiert?
- Welche Verrechnungsmöglichkeiten bietet die Webagentur an?
- Pauschale
- Nach Aufwand
- ...
- Liefertermin / Präsentationstermin für Konzept und die Kosten
- ...
Hinweis: Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Der Spruch „Ordnung ist das halbe Leben“ trifft auch auf Agenturen zu. Sieht es dort aufgeräumt und ordentlich aus, dann ist es wahrscheinlich, das Webprojekte strukturiert und präzise umgesetzt werden. Schauen Sie sich daher bei der Agentur um und lassen Sie sich die Räumlichkeiten zeigen. Eine professionelle Agentur wird Ihnen diesen Agenturrundgang ohnehin anbieten.
Schreiben Sie sich die wichtigsten Informationen auf und bewerten Sie den Kennlerntermin. Denn nach drei, vier oder fünf Kennlernterminen haben Sie so viele Informationen erhalten, dass Ihnen die eine oder andere wichtige Information eventuell verloren geht.
Hinweis für Projektleiter: Informieren Sie Vorgesetzte zum Stand der Dinge und wie die Kennlerntermine gelaufen sind. Damit geben Sie ihnen das Gefühl und die Sicherheit, dass Sie alles im Griff haben.
Schulterblick und Rebriefing
Bei einem so genannten Schulterblick oder Rebriefing erfahren Sie während des Agenturpitches, wie die Webagentur bei der Konzeption vorgeht. Wurde die Aufgabe richtig verstanden? Oft ergeben sich bei komplexen Webprojekten Fragen, die Sie der Internetagentur kurzfristig beantworten müssen. Ob und wie Sie einen Schulterblick / Rebriefing bei einem Agenturpitch durchführen, entscheiden Sie. Je größer und komplexer das Projekt ist, desto sinnvoller ist ein Schulterblick. Der Schulterblick / Rebriefing stellt sicher, dass die Konzeption nicht durch Missverständnisse oder fehlende Informationen schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt ist.
Präsentationstermin mit Konzept, Kosten und Timing
Führen Sie die Präsentationstermine in Ihrem Haus durch. So können Sie einfach und effizient alle Beteiligten in Ihrem Unternehmen zu diesen wichtigen Terminen einladen. Bereiten Sie sich gut vor und sprechen Sie mit Vorgesetzten und Beteiligten, was Sie von diesem Termin erwarten und wie Sie die Konzepte bewerten werden. Es ist natürlich auch möglich, die Beteiligten in Ihrem Unternehmen in die Bewertung einzubeziehen. In diesem Fall teilen Sie vor jedem Präsentationstermin ein Bewertungskärtchen mit allen Bewertungskriterien aus. So ersparen Sie sich die Diskussion darüber, ob Sie später richtig entschieden haben.
Informieren Sie vor dem Termin alle, wer an dem Präsentationstermin teilnimmt. Dabei sollten Sie den Namen nennen und die Funktion im Unternehmen bzw. in der Webagentur.
Sie leiten den Präsentationstermin und beginnen mit einer Einführung.
- Vorstellung aller Teilnehmer
- Kurzvorstellung des Webprojektes
- Wie sich die Agentur für den Pitch qualifiziert hat
Dann übergeben Sie das Wort an die Webagentur. Sie stellt kurz und knapp die Agentur vor und zeigt ausgewählte Projekte. Dann kommt der Kern der Präsentation, das Konzept für die Umsetzung der individuellen Webentwicklung. Hier sollten auch technische Aspekte erläutert werden:
- Welche Standard-Systeme und -Komponenten werden eingesetzt?
- Welche Teile werden individuell entwickelt?
- Wie wird der Code verwaltet?
- Wie kann das Setup von Integrations-, Preview-, Staging- und Live-Server nicht nur in der Entwicklungsphase sondern auch im Produktivbetrieb aussehen?
- Wie wird getestet und dokumentiert?
Am Ende der Präsentation haben Sie wieder das Wort. Bedanken Sie sich und teilen Sie der Internetagentur mit, wann sie mit der Entscheidung rechnen kann.
Nach dem Präsentationstermin
Sprechen Sie nach jeder Präsentation mit den Teilnehmern aus Ihrem Unternehmen und sammeln Sie die Bewertungskärtchen ein, die Sie eventuell verteilt haben. Geben Sie Ihren Eindruck wieder und fragen Sie nach den Eindrücken der Teilnehmer aus Ihrem Unternehmen.
Hinweis für Projektleiter: Informieren Sie über das weitere Vorgehen. Teilen Sie mit, wie Sie die Bewertung vornehmen, wann Sie sich für eine Webagentur entscheiden.
Entscheidung für eine Webagentur
Nach allen Präsentationsterminen werten Sie alles aus. Auch hier hilft die oben genannte Excel-Muster-Vorlage.
Hinweis für Projektleiter: In einem separaten Termin präsentieren Sie Ihre Ergebnisse und Ihre Entscheidung bei allen Beteiligten in Ihrem Unternehmen.
Rufen Sie alle Webagenturen persönlich an und teilen Sie ihnen Ihre Entscheidung beim Agenturpitch mit. Geben Sie auch Feedback, warum Sie sich so entschieden haben. Das zeugt von Fairness und Objektivität. Gleichzeitig hilft es den Agenturen, den Blick des Kunden zu reflektieren. Mein Motto zur persönlichen Absage lautet: „Man trifft sich immer zweimal im Leben“. So bleiben Sie den Agenturen als fairer und kompetenter Partner im Gedächtnis.
Tipps vom Experten zu einem professionellen Agenturpitch
Martin Stoll ist Geschäftsführer der mindworks GmbH, einer Spezialagentur für professionelle PHP-Softwareentwicklung in Hamburg. Die mindworks GmbH hat sich in einem professionellen Agenturpitch für die technische Entwicklung von Onlinemarketing-Praxis qualifiziert. Er gibt Ihnen hier einige Tipps aus Agentursicht, die Sie bei einem professionellen Agenturpitch helfen.
Wann sollten Unternehmen keinen Agenturpitch durchführen und warum nicht?
Martin Stoll: Bei sehr kleinen Projekten lohnt sich ein Pitch häufig nicht. Auch bei Erweiterungen bestehender Systeme sollte sich der Auftraggeber die Frage stellen, in welchem Verhältnis der Aufwand eines Pitches im Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen steht. Bei umfangreicheren Erweiterungen kann es durchaus sinnvoll sein, sich zusätzlich zum Vorschlag des etablierten Anbieters eine zweite Meinung in Form eines Alternativangebots eines Mitbewerbers einzuholen.
Was sind die negativen Seiten eines Agenturpitches?
Martin Stoll: Für Auftraggeber ist es grundsätzlich sehr schwer, sich ein objektives Bild von der Eignung eines Anbieters für ein bestimmtes Projekt zu machen. Es lohnt sich in jedem Fall, hinter die Kulissen zu schauen: Häufig gelingt es fachlich kompetenten Anbietern nicht, sich entsprechend überzeugend darzustellen und umgekehrt gibt es viele Anbieter, die gut darin sind, sich zu verkaufen, obwohl die Expertise zu wünschen lässt. Ein Gleichgewicht ist hier meiner Erfahrung nach eher selten anzutreffen.
Was mögen Webagenturen bei einem Agenturpitch gar nicht? Wann sind Sie unzufrieden mit dem Ablauf des Pitches?
Martin Stoll: Es kommt regelmäßig vor, dass wir an Ausschreibungen teilnehmen, aber nie wieder etwas über den weiteren Verlauf erfahren. Nachfragen verlaufen dann häufig im Sande. Dies ist frustrierend für uns als Anbieter, weil Feedback für uns sehr wichtig ist. Bei der Vielzahl an Anfragen, die wir erhalten, besteht die Gefahr, dass solche Auftraggeber bei erneuten Anfragen automatisch in der Priorität nach unten rutschen.
Fazit
Wägen Sie genau ab, ob Sie einen Agenturpitch durchführen. Ein professioneller Agenturpitch ist ein strukturierter Auswahlprozess. Neben festgelegten Bewertungskriterien sind Informationsfluss mit allen Beteiligten und ein klarer Ablauf entscheidend für den Erfolg eines Agenturpitches. Planen Sie für einen professionellen Agenturpitch genügend Zeit ein.
Über Markus Mattscheck
Betreiber und Chefredakteur von Onlinemarketing-Praxis
Markus Mattscheck ist in seinen Tätigkeitsfeldern bereits seit 1995 fest mit dem Internet verdrahtet und verfügt über eine umfassende Marketing-Expertise. Sein Kommunikations- und PR-Background verbindet er mit seinem hohen Grad an technischem Know-how und entwickelt daraus ganzheitliche Onlinemarketing-Strategien. Dieses Wissen teilt er als Autor und schreibt praxisnah und verständlich über Fachthemen aus vielen Bereichen des Onlinemarketings.